In Allgemein, Ordnung im Kopf

Bewusster Konsum klingt erstmal nach Verzicht. Trotzdem würden viele meiner Kund*innen gerne weniger kaufen. Ich bin Katrin Miseré aus Wien. Ich zeige dir, wie du deine Kaufmotive hinterfragen und verändern kannst.

 

Der große Schreck beim Aussortieren

„Ich kann’s nicht glauben. Warum hab’ ich nur diesen ganzen Mist gekauft?“

Meine Kundin war ehrlich erschrocken über sich selbst. Nach 8 Stunden gründlicher Bestandsaufnahme ihres Besitzes, stand sie vor mehreren Kisten, die sie mit Dingen gefüllt hatte, die sie aussortiert hatte. Vieles davon war doppelt, nicht wenig davon völlig unbenutzt und einiges noch originalverpackt. Sie nahm sich fest vor, in Zukunft weniger zu kaufen. Was für meine Kundin ein großer Schreck war, war für mich nichts Neues. Denn beim Aussortieren passieren – aus meiner Sicht – zwei wunderbare Dinge:

  1. die Menschen befreien sich von Ballast
  2. sie lernen sich selbst besser kennen

 

Warum kaufen wir?

Ignorieren wir mal das Kaufmotiv „Brauchen“. Wenn wir alle wirklich nur das kauften, was wir auch brauchen, hätten meine Kolleg*innen und ich wohl keine Arbeit.

Bevor ich auf die Motive eingehe, möchte ich noch kurz einen Gedanken zum Konsum allgemein loswerden. Konsum heißt ja „verbrauchen“. Ich bemerke aber immer wieder, dass es vielen Menschen gar nicht um den Konsum, also um den Gebrauch, der Dinge geht. Sondern um die Vorstufe davon: das In-Besitz-Nehmen. Das Haben-Wollen ist in uns allen sehr fest verankert. Und es braucht schon einiges an Disziplin und Nachdenken, um da eine gewisse Widerstandskraft zu entwickeln. In vor-online Zeiten gab es den Ladenschluss und den Sonntag. Wir hatten also konsumfreie Zeiten zur Verfügung. Wir konnten unsere Entscheidungen überdenken.

 

Diese 4 Kaufmotive führen uns in Versuchung

Gut – schauen wir uns also mal die gängigsten Kaufmotive neben dem „Brauchen“ an.

  1. Das Phantasie-Ich füttern
  2. Probleme lösen, die noch gar nicht da sind
  3. Geld sparen
  4. Frust, Ärger, Trauer, Einsamkeit verdrängen

Hast du manchmal das Gefühl, dass du dich zum Kaufen verleiten lässt? Möchtest du gerne bewusster und weniger kaufen? Welches könnten deine Kaufmotive sein? Sobald du das verstehst, hast du schon einen ersten Schritt in Emanzipation vom Konsum gemacht!

 

  1. Das Phantasie-Ich füttern

Ich unterscheide immer zwischen dem förderlichen und dem hinderlichen Phantasie-Ich.

Das förderliche Phantasie-Ich beflügelt uns, Neues auszuprobieren. Es motiviert uns und schubst uns aus unserer Komfort- in die Lernzone. Das förderliche Phantasie-Ich ist in gutem Einklang mit uns.

Das hinderliche Phantasie-Ich flüstert uns dagegen ein, wir sind nicht genug. Nicht schlank genug, nicht sportliche genug, als Mutter/Vater nicht genug, nicht kreativ genug … setze die Liste gerne fort. Sie ist endlos. Das hinderliche Phantasie-Ich motiviert uns aber nicht. D.h. wir kaufen die Yoga-Matte, fangen aber nie mit Yoga an. 

Wir kaufen das pädagogisch wertvolle Holzspielzeug zur Förderung der feinmotorischen Fähigkeiten unserer Kinder – finden es aber eigentlich viel schöner, gemeinsam Bücher zu lesen.

Wir finden, wir sollten unsere Zeit aktiver nutzen und besorgen uns Leinwand, Pinsel und Acrylfarben – sind aber abends einfach geschlaucht und wollen einfach nur fernsehen, schlafen oder lesen (das Malbeispiel kenne ich übrigens aus eigener Erfahrung).

Im Gepäck hat das hinderliche Phantasie-Ich auch das, was die Psychologie FOMO (Fear of missing out) nennt – also die Angst etwas zu verpassen. Meist wird diese Angst durch Rabatt-Angebote oder Sonderaktionen geschürt. Der Black-Friday ist eine Ausgeburt dieser Manipulation. Aber auch im Rest des Jahres wird mit dieser Masche gearbeitet.

Das hinderliche Phantasie-Ich entsteht IMMER im Vergleich mit anderen. Weil die ja immer alles soviel besser, aktiver, kreativer etc. machen. Der förderliche Phantasie-Ich meldet sich aus uns selbst.

Hierzu mein weniger-kaufen-TIPP:

Frage dich, bevor du etwas kaufst, ob und welches Phantasie-Ich du fütterst. Frag dich:

  • Wer hat das noch?
  • Welche Eigenschaft möchte ich damit fördern?
  • Zeige ich diese Eigenschaft bereits in meinem Alltag?

 

  1. Probleme lösen, die wir noch nicht haben

Ja, ja. Die Marketingabteilungen sind schon nicht blöd. Ganz viel, was auf dem Markt ist, löst Probleme, die wir erst haben, wenn wir die Lösungen dazu sehen. Also: Probleme, die wir eigentlich gar nicht haben. Viele dieser Dinge finde ich bei meinen Kund*innen in der Küche. 

Ganz besonders wird diese Angst bei Ersteltern ausgenutzt. Wer zum ersten Mal ein Kind bekommt, hat natürlich überhaupt keine Ahnung, was auf einen zukommt. Die Angst, etwas falsch zu machen, dem eigenen Kind etwas vorzuenthalten ist riesig. Mit dem Kauf der verschiedensten Helfer kann man die Angst erstmal bannen. Dabei sind die meisten Situationen – sollten sie überhaupt auftreten – auch ohne Schnick-Schnack zu lösen.

Aber auch für alle anderen Kategorien gilt: Die meisten Alltagsprobleme kann man mit den Dingen lösen, die man bereits besitzt. Es kann sogar richtig Spaß machen und sehr befriedigend sein, wenn man mit dem eigenen Einfallsreichtum eine unkonventionelle Lösung findet.

Mein weniger-kaufen-TIPP:

Frage dich ganz einfach: „Habe ich dieses Problem bereits gehabt, BEVOR ich XY gesehen habe?“ Wenn nicht – unbedingt eine Nacht drüber schlafen.

 

  1. Geld sparen

Nein – ich bin natürlich nicht dagegen, Geld zu sparen. Aber Geld sparen durch Rabattaktionen funktioniert nur und ausschließlich, wenn wir Dinge kaufen, die wir auch tatsächlich brauchen. Ansonsten sparen wir mehr, wenn wir gar nichts kaufen. Nämlich sagenhafte 100%.

Gerade bei Lebensmitteln solltest du immer nur kaufen, was du auch verbrauchen kannst. Sonst ist nicht nur das Geld dahin, sondern auch das Lebensmittel verdorben. Auch hier kannst du dich immer fragen „Löse ich gerade ein Problem, das ich gar nicht habe.“

Rabattkationen werden oft mit dem Gedanken „dann habe ich was auf Lager“ begründet. Vorratshaltung ist an sich natürlich kein Problem. 

Mein weniger-kaufen-TIPP an dieser Stelle:

Frage dich zwei Dinge (die Shampoo-Flasche kannst du durch alles ersetzen)

  1. Wie lange komme ich mit meiner Shampoo-Flasche aus?
  2. Selbst wenn meine Shampoo-Flasche leer ist – wie schnell kann ich eine neue besorgen?

Damit kannst du dich selbst aus dem Notfall-Katastrophen-Modus führen. 

 

  1. Unangenehme Gefühle verdrängen

Das emotionale Kaufen ist am schwierigsten zu kanalisieren. Wenn du hier bewusster werden möchtest, brauchst du Disziplin und vor allem die Bereitschaft, deine unangenehmen Gefühle auszuhalten. Den Frust über die Chefin, den Ärger mit der pubertierenden Tochter, die Enttäuschung über den/die Partner*in….

Zuallererst aber musst du überhaupt erkennen, dass du durch das Kaufen deine unangenehmen Gefühle abdrehen möchtest. Im Grunde ist auch das kein Problem. Es kann ein Werkzeug unter vielen anderen sein, um sich wieder ins Lot zu bringen. Nur wenn das Kaufen das einzige Werkzeug ist, wird es problematisch. Kaufen funktioniert einfach und zuverlässig. Es kostet keine Anstrengung. Meist ist aber der Effekt schnell verpufft – und man muss nachschieben.

Mein weniger-kaufen-TIPP:

Frage dich:

  1. Wie geht es mir?
  2. Was spüre ich? (Druck im Kopf; Spannung in den Schultern; Knoten im Bauch)
  3. Welches Gefühl könnte das sein? (Ärger; Zorn, Einsamkeit, Trauer)
  4. Was möchte ich lieber fühlen?
  5. Du wunderst dich, warum du dich nicht auch „Wie kann ich mir mein Wunschgefühl holen?“ fragen sollst?

Nun, ich versetze mich in deine Situation:

Du bist gerade entweder in einem Geschäft oder zu Hause online unterwegs. Wie wahrscheinlich ist es, dass du die Möglichkeit jetzt tatsächlich hast, dir dein Wunschgefühl zu holen? Was ist also, wenn du merkst: „Na toll, ich kann mich jetzt nicht mit meiner besten Freundin treffen.“ Klar – noch mehr Frust, Trauer, Zorn.
Es reicht vielleicht einfach, wenn du dir kurz einmal mal Gedanken über dich machst, dich dir ganz zuwendest, dir selbst gut zuhörst. Es ist nicht immer möglich, gleich eine Lösung zu finden. Als Mutter weiß ich das. Es reicht aber oft, wenn wir zuhören und dem Kummer ein wenig Platz einräumen.

 

Gratulation! Erst erkennen – dann weniger kaufen

Meine Kundin habe ich dazu ermuntert, sich selbst zu gratulieren. Mit jedem Stück, von dem sie sich getrennt hat, hat sich etwas mehr über sich gelernt. Ist sich selbst und ihren Bedürfnissen näher gekommen. Hat sich von falschen Vorstellungen emanzipiert. Und das ist doch ein Grund zu großer Freude!

 

 

Kein Ordnungscoach in deiner Nähe? Wir beraten dich auch online.

Mehr Input zu weniger-haben findest du hier: Minimalismus – alle reden drüber. Aber wie …?



 

Neueste Beiträge
zu viel kaufen