Warum hochsensible Familien ein anderes Ordnungsbedürfnis haben und andere Ordnungsstrategien brauchen
Familien sind sehr unterschiedlich, haben verschiedene Bedürfnisse und Herangehensweisen. Hochsensible Familien haben besondere Bedürfnisse und brauchen daher Strategien, die zu ihnen und ihren sensiblen Bedürfnissen passen.
In diesem Blogartikel gebe ich dir einen Einblick in die Hochsensibilität, erkläre warum Ordnung ein starkes Bedürfnis ist und wie du mit/für deine hochsensible Familie Ordnungsstrategien entwickelst. Ich bin Sarah Amtsberg und mit „Familie in Ordnung“ im Raum Bielefeld unterwegs.
Hochsensibilität: Was bedeutet es, hochsensibel zu sein?
Hochsensibilität ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das sich durch eine feine, sensible Wahrnehmung auszeichnet. Das Gehirn verarbeitet unter anderem Emotionen, Gedanken, Gerüche, Berührungen und visuelle Eindrücke viel intensiver. Das führt z.B. dazu, dass Hochsensible ein stärkeres Bedürfnis nach Ruhe haben und mehr Zeit brauchen, um sich zu erholen und Erlebtes zu verarbeiten.
Der Alltag hochsensibler Familien bringt somit einige Herausforderungen mit sich. Starke Reizempfindlichkeit kann zu emotionaler Überforderung führen.
Hier ein paar Beispiele:
- Du stehst morgens auf und kommst in deine unaufgeräumte Küche und fühlst dich schon am frühen Morgen unwohl und angespannt. In dem Chaos versuchst du für die Kids die Schulbrote zu machen. Aber wo sind denn jetzt die Brotdosen schon wieder? Während du die Brotdosen suchst, stellst du fest, dass das Lieblingsmüsli deines Kindes leer ist. Oh je, jetzt sind deine Geduld und Ruhe gefragt, mit der du deinem Kind versuchen wirst, es davon zu überzeugen, etwas anderes zu frühstücken. Dies wird schwierig, da sich dein Kind bereits auf Müsli eingestellt hat und wie jeden Morgen momentan nur Müsli mag. Da der Zeitpunkt das Haus zu verlassen immer näher rückt wirst du immer ungeduldiger. Dein Kind merkt das und wird selbst immer unruhiger und fängt an zu weinen. Da du sehr geräuschempfindlich bist, kannst du das in diesem Moment kaum ertragen. Du wünschst dir nur noch Ruhe, Frieden und ein glückliches Kind.
- Am Nachmittag macht ihr einen Ausflug zur Kirmes. Schon während ihr euch abfahrbereit macht, liegen Aufregung, Vorfreude und Nervosität im Raum. Endlich angekommen, kann sich dein Kind kaum entscheiden, was es als erstes machen möchte. Die vielen Fahrgeschäfte sind so hell und laut, das ist ganz schön beängstigend aber auch irgendwie spannend. Einige Fahrgeschäfte und Snacks später seid ihr endlich wieder zu Hause. Du bist völlig erschöpft und überreizt von den vielen Eindrücken, den Lichtern, Geräuschen, Gerüchen und Menschen. Am liebsten möchtest du es dir auf dem Sofa gemütlich machen. Dein Kind findet diese Idee nicht so gut. Es ist auch völlig überreizt, aber an Ausruhen ist nicht zu denken. Es ist noch ganz aufgedreht vom Tag und muss die vielen Eindrücke erst verarbeiten – das wird dauern.
Warum Ordnung für hochsensible Menschen besonders wichtig ist.
Das Bedürfnis nach Ruhe und Harmonie:
Hochsensible Menschen sind besonders anfällig für sensorische Reize und Chaos im Umfeld. Sie nehmen ihre Umgebung viel intensiver war. Im Vorbeigehen werden unterbewusst viele Dinge abgespeichert und kleinste Veränderungen bemerkt. Je mehr Dinge in deinem Blickfeld liegen, umso mehr muss sich dein Gehirn abspeichern. Wie ein Computer ist dieser Speicherplatz begrenzt und wird durch Schlaf wieder freigegeben. Wenn du dich nachmittags auf nichts mehr konzentrieren kannst, dann ist dein Speicher voll.
Ordnung schafft also eine ruhige Umgebung, die emotionale Stabilität und Konzentration fördert. Es ist wichtig, dass du dir zumindest einen kleinen Rückzugsort für dich einrichtest. Das kann auch nur eine Ecke im Raum sein, in dem ein gemütlicher Sessel mit einem kleinen Tisch steht. Der Sessel und der Tisch sollten immer aufgeräumt sein. Auf dem Tisch kannst du dir z.B. eine Kerze stellen und es sollte Platz für eine Tasse und vielleicht für ein Buch sein. Erkläre gerne deiner Familie, das dies dein Platz ist und dass dieser immer in Ordnung bleiben soll. Wenn du dort sitzt, bedeutet es für die anderen, dass du Ruhe und Pause brauchst. Vereinbart miteinander, dass du nur gestört wirst, wenn es etwas wirklich Wichtiges ist. Es braucht etwas Zeit, aber deine Familie wird lernen, dass es dein Bereich ist. Sie werden es schätzen, dass du ruhiger und entspannter mit ihnen umgehen wirst.
Emotionale Bindung an Dinge und die Herausforderung des Loslassens:
Hochsensible neigen dazu, eine tiefe Bindung an Gegenstände zu entwickeln. Zu diesen Gegenständen gibt es oft Erinnerungen, die mit vielen Emotionen verknüpft sind.
Loslassen von Gegenständen kann belastend sein und benötigt spezielle Strategien. Du wirst dich aber auch ohne Gegenstände an schöne Momente erinnern können. Der Abschied von Dingen bedeutet nicht, dass du gleichzeitig auch deine Erinnerungen aussortierst. Schlechte Erinnerungen dürfen allerdings mit aussortiert werden 😉
Reizüberflutung durch Unordnung:
Zu viel Unordnung führt zu Reizüberflutung. Das Gehirn versucht, sich in seiner Umgebung zurechtzufinden und scannt diese. Dieser Vorgang ist bei Hochsensiblen viel ausgeprägter und detaillierter. Das Gehirn hat aber nur einen gewissen Speicherplatz zur Verfügung, wenn dieser erreicht ist, wird alles zu viel. Dieses Zuviel verursacht Stress und mindert die Konzentrationsfähigkeit. Erst wenn wieder eine gewisse Ordnung herrscht, kann sich dein Nervensystem erholen.
Um die Reizverarbeitung zu erleichtern, ist das Bedürfnis nach klaren Strukturen und Vereinfachung groß. Daher ist es wichtig, beim Ordnung schaffen auf ein reizarmes Ordnungssystem zu achten.
Individuelle Ordnungsstrategien für Hochsensible:
Hochsensible Familien brauchen flexible, sanfte und leichte Ordnungsansätze. Diese sollte so gewählt sein, dass alle Familienmitglieder leichter Ordnung halten können. Sobald du also etwas veränderst und anders machen möchtest, solltest du prüfen, ob der Rest der Familie damit zurechtkommt. Am besten ist es natürlich, wenn ihr Veränderungen vorher gemeinsam besprochen habt. Viele Hochsensible tun sich mit Veränderung schwer, daher ist eine gute Vorbereitungszeit wichtig.
Da das Bedürfnis nach Ruhe sehr groß ist, beginne am besten mit einem Wohlfühlbereich. Das kann ein Raum oder auch nur ein Teil vom Raum sein. Es ist wichtig das ihr Kraft und Energie tanken könnt, um eure Ordnungsprojekte umzusetzen. Im zweiten Schritt ist es wichtig ein Ordnungssystem zu wählen, dass die Reize in deinem Zuhause mindern.
Hier ein paar Beispiele:
- Wähle Schränke statt Regale. Diese bieten mehr Ruhe, da nicht alles offen zu sehen ist.
- Nutze blickdichte Aufbewahrungsboxen mit klarer Beschriftung statt durchsichtiger Boxen, wenn du offene Regale hast. Für geschlossene Schränke können dann gerne durchsichtige Boxen genutzt werden, da man sich so schneller einen Überblick verschaffen kann und diese ja nicht für Unruhe sorgen, sobald der Schrank geschlossen ist.
- Wände, Möbel und Stoffe sollten eher schlicht sein und Farben beruhigend wirken.
Für hochsensible Familien kann Ordnung ein wertvoller Anker sein. Durch Ordnung kannst du Rückzugsorte schaffen und mehr Ruhe und Stabilität in euren Alltag bringen. Wenn Chaos euren Alltag belastet und die Sinne beansprucht, schafft ein für euch passendes Ordnungssystem eine entspannende Umgebung und das Gefühl von Geborgenheit.
Ordnung bedeutet hier allerdings keine Perfektion. Es geht um eine alltagstaugliche Ordnung, die auf die besonderen Bedürfnisse aller Familienmitglieder Rücksicht nimmt. Gestaltet euer Zuhause so, dass es euch unterstützt und Kraft für mehr Gelassenheit im Alltag gibt. Geht euren Weg Schritt für Schritt in eurem eigenen Tempo.